Die Zusammenarbeit im Bienenvolk

Die Bienen eines Bienenvolkes bilden gemeinsam eine eingespielte Einheit – den Bien. Jede der tausenden von Bienen trägt zum Überleben dieses Superorganismus‘ bei. Die optimierte Aufgabenteilung und Zusammenarbeit der Honigbienen stellt eine einzigartige Überlebensstrategie dar. Doch woher weiss eigentlich jede einzelne Biene was sie zu tun hat? Und was geschieht, wenn das System aus dem Gleichgewicht gerät?

Die drei Wesen

Ein Bienenvolk setzt sich aus drei Wesen zusammen, welchen unterschiedliche Aufgaben zukommen. Während die Fortpflanzung der Königin und den Drohnen vorenthalten ist, sorgen die Arbeiterinnen hauptsächlich für den Nestbau und die Nahrungsversorgung und Verteidigung des Volkes.

Die Königin

In einem Bienenvolk lebt nur eine Königin. Sie ist das einzige fortpflanzungsfähige Weibchen des Volkes und zeigt ihre Präsenz durch fortlaufende Absonderung der Königinnensubstanz (queen retinue pheromone, bestehend aus neun Substanzen) an. Diese löst bei den Arbeiterinnen ein Folgeverhalten aus, weswegen die Königin meist von einem sogenannten Hofstaat begleitet wird1.

Die Bienen des Hofstaates nehmen die Substanz durch Berühren der Königin mit den Fühlern und der Proboscis (die Zunge der Bienen) auf und reichen sie an die Stockbienen weiter. So wird die Königinnensubstanz im ganzen Stock verbreitet2. Bei Absenz der Königinnensubstanz bauen die Arbeiterinnen Weiselzellen und ziehen neue Königinnen auf. Dadurch wird sichergestellt, dass die Königin nach ihrem Tod umgehend ersetzt, und so das Überleben des Volkes sichergestellt wird. Anderseits wird durch eine Abnahme der Königinnensubstanz der Schwarmprozess reguliert. Denn sobald der Stock dicht mit Bienen gefüllt ist und der Platz im Nest knapp wird, kann die Königinnensubstanz nicht mehr ausreichend verteilt werden – es ist Zeit zum Schwärmen1-2.

Königinnen entstehen aus normalen befruchteten Eiern durch Füttern der Larve mit Gelee Royal bis zur Verdeckelung der Zelle3. Meist werden mehrere Jungköniginnen gezogen, von denen sich dann eine durchsetzt, indem sie die anderen im Zweikampf tötet oder durch die Weiselzellen hindurch absticht. Durch den Kampf um die Thronfolge wird sichergestellt, dass die neue Königin vital und gesund ist. Im Alter von etwa einer Woche begibt sich die Jungkönigin auf den Hochzeitsflug – meist in Begleitung von einigen Arbeiterinnen, die sie vor Gefahren beschützen3. Am Drohenensammelplatz warten bereits bis zu 20’000 Drohnen auf das Eintreffen der Königin, welche sie an ihrem Duft (Sexpheromon) erkennen können2. Die Königin paart sich im Flug mit bis zu 17 Drohnen4, die bei der Begattung sterben. Mit Millionen von Spermien in der Spermathek kehrt sie in ihr Volk zurück und kann nun die nächsten Jahre Eier legen – bis zu 1200 Eier täglich3.

Der Drohn

In einem Bienenvolk leben im Sommer etwa 1000 bis 2000 Drohnen. Ihre Aufgabe besteht einzig in der Begattung von Königinnen, ansonsten sind sie ziemliche Taugenichtse und tragen nicht zur Versorgung des Volkes bei. Sie entstehen aus unbefruchteten Eiern und haben somit nur eine Mutter (die Königin), aber keinen Vater. Mit etwa zehn Tagen sind die Drohnen geschlechtsreif und begeben sich auf die Suche nach einem Drohnensammelplatz. Dafür fliegen sie bis zu 7 km, wodurch Inzucht vermieden wird. Im Herbst, wenn die Paarungszeit zu Ende ist, werden die Drohnen von den Arbeiterinnen aus dem Stock vertrieben oder gar abgestochen – die sogenannte Drohnenschlacht hat begonnen3.

Die Arbeiterin

In einem Bienenvolk leben im Sommer etwa 10’000 bis 30’000 Arbeiterinnen. Sie alle sind die Töchter der Königin, können aber unterschiedliche Väter haben. Ein Bienenvolk setzt sich somit aus mehreren Genfamilien zusammen. Die Arbeiterinnen sind für das Überleben des Volkes verantwortlich. Im Laufe ihres Lebens übernehmen sie eine Vielzahl von Tätigkeiten wie Reinigen und Bauen der Waben, Füttern der Larven und Sammeln von Nektar und Pollen. Um ihre Aufgabe optimal erfüllen zu können, stehen die Bienen in ständiger Kommunikation miteinander und passen ihre Tätigkeit fortlaufend den Umweltbedingungen und den Bedürfnissen des Volkes an. Im Gegensatz zur Königin pflanzen sich die Arbeiterinnen im Normalfall nicht fort. Ihre Eierstockentwicklung wird durch die Königinnensubstanz und das von den Larven abgegebene Brutpheromon (bestehend aus 10 Substanzen) unterdrückt2. In weisellosen Bienenvölkern jedoch werden manche Arbeiterinnen zu Drohnenmütterchen und beginnen unbefruchtete Eier zu legen5.

Abbildung 1: Die drei Wesen eines Bienenvolkes. Von links nach rechts: Arbeiterin, Drohn und Königin.
Abbildung 1: Die drei Wesen eines Bienenvolkes. Von links nach rechts: Arbeiterin, Drohn und Königin.

Arbeitsteilung der Arbeiterinnen

Welche Aufgabe eine Arbeiterin zu einem bestimmten Zeitpunkt übernimmt, hängt von ihrem Alter und ihrer Genetik ab, aber auch vom Zustand des Volkes, der Bruttemperatur, welcher sie als Larve ausgesetzt war und diversen Umwelteinflüssen wie Jahreszeit und Wetter. Durch diese komplexe Steuerung ist die Arbeitsteilung der Arbeiterinnen jederzeit optimal auf die Bedürfnisse des Volkes abgestimmt.

Altersabhängige Aufgaben

Die Bienen durchlaufen einen Entwicklungsprozess, welcher mit physiologischen Veränderungen verbunden ist und gleichzeitig die Aufgaben definiert, die sie übernehmen (Abbildung 2). So ist die Futtersaftdrüse nur bei jungen Ammenbienen aktiv, wohingegen mit zunehmendem Alter immer mehr Gift produziert wird, welches insbesondere für Wächterinnen und Flugbienen wichtig ist. Dieser Prozess wird von dem sogenannten Juvenilen Hormon gesteuert, welches mit dem Alter der Bienen zunimmt6-7.

Die Entwicklung ist jedoch von diversen Faktoren beeinflussbar und kann sogar reversibel sein6. So kann eine Sammelbiene bei Bedarf auch wieder zur Ammenbiene werden. Solche Aufgabenänderungen können zum Beispiel nach dem Schwärmen eines Volkes von Vorteil sein. Gewisse Aufgaben werden auch nur von einem Teil der Bienen übernommen. So werden nur ca. 10% der Bienen im Verlauf ihres Lebens zu Wächterinnen8. Ähnlich wie ein Türsteher bewachen die Wächterinnen den Eingang des Stockes und überprüfen die eintretenden Bienen auf ihre Zugehörigkeit zum Volk. Eindringlinge anderer Völker werden ausgeschlossen, bei grösseren Gefahren werden die Stockgenossinnen mittels des Alarmpheromons zum Angriff gerufen1. Welche Bienen zu Wächterinnen werden, wird hauptsächlich durch ihre genetische Veranlagung bestimmt8.

Abbildung 2: Typischer Ablauf der Aufgaben, welche die Arbeiter-innen im Verlauf ihres Lebens übernehmen.<br>
Abbildung 2: Typischer Ablauf der Aufgaben, welche die Arbeiter-innen im Verlauf ihres Lebens übernehmen.

Übergang von der Stockbiene zur Flugbiene

Das Verhältnis zwischen Stock- und Sammelbienen ist wichtig für die Entwicklung des Volkes. Der Übergang der Stock- zur Sammelbiene unterliegt deswegen einer ausgeklügelten Steuerung. Sowohl die Sammelbienen als auch die Larven geben eine bestimmte Substanz, Ethyl Oleat, ab. Hohe Mengen dieses Stoffes verlangsamen die Entwicklung zur Sammelbiene, geringe Mengen jedoch beschleunigen die Entwicklung 9-11. Dadurch wird sichergestellt, dass bei grossem Brutvorkommen ausreichend Ammenbienen vorhanden sind, um die Brut zu versorgen und nicht mehr Sammelbienen entstehen als benötigt werden. Zusätzlich wird die Entwicklung zur Flugbiene auch von den Nahrungsvorräten und dem Wetter beeinflusst. Knappe Honig– oder Pollenvorräte beschleunigen die Entwicklung, schlechtes Wetter hingegen wirkt verlangsamend, da die Sammelbienen ihre Arbeit nur bei trockenem Wetter verrichten können12.

Spezialisierung der Sammelbienen

Die Sammelbienen teilen sich nochmals in Pollen-, Nektar- und Wassersammlerinnen auf. Pollensammlerinnen sind im Vergleich zu den Nektarsammlerinnen die Bienen mit besserem Lernvermögen13. Die Lernfähigkeit wird von der Genetik der Biene beeinflusst, aber auch von der Temperatur, welcher die Biene als Larve ausgesetzt war14. Warme Entwicklungstemperaturen fördern die spätere Lernfähigkeit15. Zusätzlich ist der Anteil an Pollensammlerinnen auf die Bedürfnisse des Volkes angepasst. So stimuliert ein von den jungen Larven abgegebener Duft (β-Ocimen) die Bienen zum Pollen sammeln, wodurch die Nahrungsversorgung der Brut sichergestellt wird16. Die Bienen können ausserdem den Pollenvorrat einschätzen; umso grösser der Vorrat umso weniger Pollensammlerinnen werden rekrutiert17.

Synchronisation der Arbeit

Die Arbeiterinnen verfügen über diverse Signale, um ihre Arbeiten aufeinander abzustimmen. So dient das Vibrationssignal, bei welchem die Bienen ihren Körper für 1-2 s dorso-ventral vibrieren, einer Aktivitätssteigerung des ganzen Volkes und wird vormittags eingesetzt um die Arbeiten koordiniert aufzunehmen18. Entsteht hingegen ein Stau beim Entladen von Nektar und Pollen, führen die Sammelbienen den Zittertanz auf, bei dem die Bienen mit dem Körper zucken und mit den Flügeln schlagen19. Die Stockbienen rücken daraufhin zum Entladen der Nahrung an. Auch Düfte spielen eine wichtige Rolle in de Kommunikation.So veranlasst der beim Schwänzeltanz abgegebene Duft ruhende Sammelbienen ihre Arbeit aufzunehmen20.

Gemeinsam stark

Ein Bienenvolk stellt ein kleines Wunder der Natur dar. Denn das augenscheinliche Chaos unterliegt einer komplexen Ordnung und Zusammenarbeit. Die Honigbiene ist nur als Bien überlebensfähig, das Verhalten der einzelnen Bienen richtet sich somit immer nach dem Interesse dieses Superorganismus.

Literatur

1. Slessor, K. N., Winston, M. L. & Le Conte, Y. Pheromone communication in the honeybee (Apis mellifera L.). Journal of Chemical Ecology 31, 2731-2745, doi:10.1007/s10886-005-7623-9 (2005).

2. Trhlin, M. & Rajchard, J. Chemical communication in the honeybee (Apis mellifera L.): a review. Veterinarni Medicina 56, 265-273 (2011).

3. Dietemann, V. et al. Das Schweizerische Bienenbuch – Biologie der Honigbiene. VDRB (2014).

4. Page, R. E. Sperm utilization in social insects Annual Review of Entomology 31, 297-320 (1986).

5. Page, R. E. & Erickson, E. H. Reproduction by worker honey bees (Apis mellifera) Behavioral Ecology and Sociobiology 23, 117-126, doi:10.1007/bf00299895 (1988).

6. Huang, Z. Y. & Robinson, G. E. Honeybee colony integration – worker worker interactions mediate hormonally regulated plasticity in dividson-of-labor. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 89, 11726-11729, doi:10.1073/pnas.89.24.11726 (1992).

7. Huang, Z. Y., Robinson, G. E. & Borst, D. W. Physiological correlates of divison-of-labor among similarly aged honey bees. Journal of Comparative Physiology a-Sensory Neural and Behavioral Physiology 174, 731-739 (1994).

8. Breed, M. D., Guzman-Novoa, E. & Hunt, G. J. Defensive behavior of honey bees: Organization, genetics, and comparisons with other bees. Annual Review of Entomology 49, 271-298, doi:10.1146/annurev.ento.49.061802.123155 (2004).

9. Leoncini, I. et al. Regulation of behavioral maturation by a primer pheromone produced by adult worker honey bees. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 101, 17559-17564, doi:10.1073/pnas.0407652101 (2004).

10. Amdam, G. V. Social context, stress, and plasticity of aging. Aging Cell 10, 18-27, doi:10.1111/j.1474-9726.2010.00647.x (2011).

11. Le Conte, Y. & Hefetz, A. in Annual Review of Entomology Vol. 53 Annual Review of Entomology 523-542 (2008).

12. Amdam, G. V. & Omholt, S. W. The hive bee to forager transition in honeybee colonies: the double repressor hypothesis. Journal of Theoretical Biology 223, 451-464, doi:10.1016/s0022-5193(03)00121-8 (2003).

13. Page, R. E., Scheiner, R., Erber, J. & Amdam, G. V. in Current Topics in Developmental Biology, Vol 74 Vol. 74 Current Topics in Developmental Biology (ed G. P. Schatten) 253-+ (2006).

14. Becher, M. A., Scharpenberg, H. & Moritz, R. F. A. Pupal developmental temperature and behavioral specialization of honeybee workers (Apis mellifera L.). Journal of Comparative Physiology a-Neuroethology Sensory Neural and Behavioral Physiology 195, 673-679, doi:10.1007/s00359-009-0442-7 (2009).

15. Tautz, J., Maier, S., Groh, C., Rossler, W. & Brockmann, A. Behavioral performance in adult honey bees is influenced by the temperature experienced during their pupal development. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 100, 7343-7347, doi:10.1073/pnas.1232346100 (2003).

16. Traynor, K. S., Wang, Y., Brent, C. S., Amdam, G. V. & Page, R. E. Young and old honeybee (Apis mellifera) larvae differentially prime the developmental maturation of their caregivers. Animal Behaviour 124, 193-202, doi:10.1016/j.anbehav.2016.12.019 (2017).

17. Fewell, J. H. & Winston, M. L. Colony state and regulation of pollen foraging in the honey bee, Apis mellifera L Behavioral Ecology and Sociobiology 30, 387-393 (1992).

18. Schneider, S. S. & Lewis, L. A. The vibration signal, modulatory communication and the organization of labor in honey bees, Apis mellifera. Apidologie 35, 117-131, doi:10.1051/apido:2004006 (2004).

19. Dyer, F. C. The biology of the dance language. Annual Review of Entomology 47, 917-949, doi:10.1146/annurev.ento.47.091201.145306 (2002).

20. Thom, C., Gilley, D. C., Hooper, J. & Esch, H. E. The scent of the waggle dance. Plos Biology 5, 1862-1867, doi:e22810.1371/journal.pbio.0050228 (2007).

Vatorex AG, Anina Knauer 29 August, 2019
teile diesen Artikel
Wie die Bienen die Welt wahrnehmen