Wieso Pestizide die Bienen töten

Das Bienensterben hat multifaktorielle Ursachen. Die Experten sind sich einig, dass dabei auch Pestizide eine Rolle spielen. Denn viele Insektizide gelangen über Pollen und Nektar in den Stoffwechsel der Sammlerinnen und in den Bienenstock, wo sie Nahrungsreserven und Wachs kontaminieren. Wir haben für Sie die neusten Forschungsergebnisse zur Wirkung von Pestiziden auf Bienen recherchiert und vermitteln einen Überblick über die momentane Situation in der Schweiz sowie die Konsequenzen für die Imkerei.

Situation in der Schweiz

Seit einigen Jahren kommt es zu Winterverlusten der Honigbienen von bis zu 30% in gewissen Regionen der Schweiz. Bei den Wildbienen wurden gar 45% der 450 untersuchten Arten als gefährdet eingestuft1. Kurzum, den Bienen geht es schlecht. Doch warum? Die Experten sind sich einig, dass es darauf keine simple Antwort gibt und die Ursachen multifaktoriell sind. Eine der Ursachen, welche die Honigbienen und Wildbienen gleichermassen betrifft sind Pestizide. Mit der Intensivierung der Landwirtschaft und dem vermehrten grossflächigen Anbau von Monokulturen stieg deren Einsatz in der Schweiz auf über 2000 Tonnen pro Jahr (ca. 90% davon wird in der Landwirtschaft eingesetzt).

Wegen zunehmenden Resistenzen der Schädlinge nimmt der Pestizidverbrauch weiterhin zu, in manchen Kulturen werden zurzeit bis zu 30 Spritzungen pro Jahr vorgenommen2-3. Die zur Schädlingsbekämpfung eingesetzten Insektizide sind allerdings auch für die Bienen toxisch. Dies trifft insbesondere auf die seit den 1990er Jahren eingesetzten Neonikotinoide Thiamethoxam, Clothianidin und Imidacloprid zu4. Deren Einsatz ist in der Schweiz seit 2013 in blühenden Kulturen und in Nachbarschaft blühender Parzellen verboten5. Dennoch verursachen die betroffenen Substanzen weiterhin jedes Jahr Bienenvergiftungen6. Denn die Stoffe werden von den Pflanzen aufgenommen und lagern sich im Pollen und Nektar ein wo sie von den Bienen über ihre Nahrung aufgenommen werden.

Wirkung auf die Bienen

Beim Zulassungsverfahren der Pestizide wurde bisher nur die LD50 (die Dosis bei der 50% der Bienen sterben) berücksichtigt. Diese liegt bei den oben genannten Neonikotinoiden bei geringsten Mengen im Nano-Bereich (20-80 ng bei äusserem Kontakt und bei 4 ng bei oraler Einnahme). Jedoch konnte die Forschung der letzten Jahre diverse sublethale und synergistische Effekte nachweisen, welche bei den verwendeten Dosen eintreten können.

Sublethale Effekte

Geringste Mengen von Neonikotinoiden können die Lernfähigkeit und das Orientierungsvermögen der Bienen herabsenken. Dadurch kommt es zu anormalem Sammelverhalten und einem Verlust der Kommunikationsfähigkeit7-8. Ein Feldversuch aus dem Jahre 2012 konnte nachweisen, dass bis zu 30% der Arbeiterinnen, welche auf einem mit Thiamethoxam gespritzten Rapsfeld Nahrung sammelten, nicht mehr zum Stock zurückfanden (Abbildung 1). Dadurch kann es zu einem starken Rückgang der Volksgrösse kommen, der gar zum Kollaps des ganzen Volkes führen kann9. Zusätzlich beeinträchtigt Thiamethoxam die chronische Einnahme geringster Mengen dieses Pestizids senkt die Flugdistanz und –dauer um ca. 60%, die Fluggeschwindigkeit um ca. 10%10.

Abbildung 1: Anteil der Arbeiterinnen, die zum Stock zurückkehrten nachdem sie die Nahrung auf einem pestizid-freien (blaue Linie) oder auf einem mit Thimethoxam gespritzten Feld sammelten (rote Linie). Dass auch in der Kontrollgruppe nur rund 60% der Bienen zum Stock zurückkehrten ist auf die Versuchsanordnung zurückzuführen – die Bienen wurden an einem ihnen noch nicht bekannten Ort freigesetzt und mussten sich somit mit Hilfe der Sonne und Landmarken orientieren.
Abbildung 1: Anteil der Arbeiterinnen, die zum Stock zurückkehrten nachdem sie die Nahrung auf einem pestizid-freien (blaue Linie) oder auf einem mit Thimethoxam gespritzten Feld sammelten (rote Linie). Dass auch in der Kontrollgruppe nur rund 60% der Bienen zum Stock zurückkehrten ist auf die Versuchsanordnung zurückzuführen – die Bienen wurden an einem ihnen noch nicht bekannten Ort freigesetzt und mussten sich somit mit Hilfe der Sonne und Landmarken orientieren.
Abbildung 1: Anteil der Arbeiterinnen, die zum Stock zurückkehrten nachdem sie die Nahrung auf einem pestizid-freien (blaue Linie) oder auf einem mit Thimethoxam gespritzten Feld sammelten (rote Linie). Dass auch in der Kontrollgruppe nur rund 60% der Bienen zum Stock zurückkehrten ist auf die Versuchsanordnung zurückzuführen – die Bienen wurden an einem ihnen noch nicht bekannten Ort freigesetzt und mussten sich somit mit Hilfe der Sonne und Landmarken orientieren.

Ausserdem gelangen die Pestizide über die Nahrung in den Stock, wo sie sich im Wachs einlagern und mit dem Pollenbrot an die Brut verfüttert werden. Es konnte aufgezeigt werden, dass Völker mit kontaminiertem Wachs eine erhöhte Larvenmortalität und eine verminderte Lebenserwartung der Arbeiterinnen haben11. Für Thiamethoxam konnte ausserdem eine negative Wirkung auf Königinnen belegt werden. Königinnen, welche in ihrer Entwicklung Kontakt mit diesem Neonikotinoid hatten, waren kleiner und hatten nach dem Hochzeitsflug geringere Spermamengen in der Spermathek12. Das Neonikotinoid Imidacloprid reduziert ausserdem die Anzucht neuer Königinnen um 85% bei Erdhummeln13. Die enge Verwandtschaft zwischen Erdhummeln und Honigbienen lässt auf eine ähnliche Wirkung in Honigbienen schliessen.

Synergistische Effekte

Nebst solch sublethalen Effekten kann es ausserdem zu Synergismen zwischen verschiedenen Pestiziden kommen. Diverse für die Bienen harmlose Fungizide können die Toxizität von Insektiziden verstärken. So erhöht sich die Toxizität des Neonikotinoids Acetamiprid um den Faktor fünf bei gleichzeitiger Einnahme eines Fungizids14. Ein ähnlicher Effekt konnte für das Insektizid Lambda-cyhalothrin nachgewiesen werden. Dessen LD50 wurde durch ein Fungizid von 68 auf 4 ng herabgesenkt15. Solche Synergismen werden bei der Zulassung der Mittel jedoch nicht berücksichtigt, beide oben genannten Insektizide dürfen in der Schweiz nachwievor auf blühenden Kulturen gespritzt werden5.

Bedeutung für die Imkerei

Standortwahl

Die Gefahr einer Bienenvergiftung durch Pestizide ist insbesondere in Landwirtschaftsgebieten mit blühenden, für die Bienen attraktiven Kulturen wie Obst und Raps gegeben. Die Pestizide können aber auch über Drift (beim Sprühen wird das Pestizid mit dem Wind verweht) von der behandelten Kultur in nahegelegene Flächen gelangen. Der Imker kann somit durch eine gezielte Standortwahl dem Kontakt mit Pestiziden vorbeugen. Bei Naturgebieten, Blumenwiesen und nicht blühenden Kulturen ist das Vergiftungsrisiko für die Bienen gering. Ausserdem ist der Pestizidgebrauch im Biolandbau im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft stark reduziert, da der biologische Anbau ausschliesslich Naturstoffe einsetzt zur Schädlingskontrolle16.

Vorkehrungen in gefährdeten Gebieten

Pestizide können Pfützen auf Äckern und nahgelegene Weiher verunreinigen. Imker, die ihren Standort in der Landwirtschafszone haben, können durch das Bereitstellen einer eigenen Wasserquelle das Vergiftungsrisiko reduzieren. Ausserdem kann der Dialog mit Landwirten helfen diese für die Gefahren der Pestizide zu sensibilisieren. Wird man vom Landwirt über den Zeitpunkt der Pestizidanwendung informiert, können die Bienen durch Schliessen des Stockeingangs am Vorabend von einem direkten Kontakt bewahrt werden.

Lise aller bienengefährlicher Pflanzenschutzmittel

Erkennen von Bienenvergiftungen

Bei Vergiftungsfällen liegen massenhaft tote Bienen vor dem Eingang, ausserdem sind normalerweise alle Völker eines Standorts betroffen. Ein erhöhtes Vergiftungsrisiko tritt in der Zeitspanne des Pestizideinsatzes von April bis August auf. Hohe Sterberaten ausserhalb dieser Periode werden meist durch Krankheiten, insbesondere einen hohen Varroabefall, verursacht. Besteht Verdacht auf Vergiftung, muss umgehend der Bienengesundheitsdienst informiert und eine Probe toter Bienen eingesandt werden (weitere Infos unter: http://www.bienen.ch/index.php?id=840). Denn die Dokumentation von Vergiftungsfällen ist ein wichtiges Instrument zur Gefahreneinschätzung von Pestiziden und kann in weitere politische Entscheide einfliessen.

 

Das Licht am Ende des Tunnels

Pestizide schaden nicht nur den Bienen, sondern auch diversen Wasser- und Bodenorganismen und stören das natürliche ökologische Gleichgewicht. Dabei liegt die Ertragssteigerung, die durch den Pestizideinsatz erzielt werden kann, unter 15%. Oftmals werden Pestizide nur verwendet um den Anspruch auf optisch einwandfreie Lebensmittel zu erfüllen. Die Ertragssteigerung rechtfertigt somit den Einsatz von Pestiziden nicht, zumal in der Schweiz gegenwärtig rund ein Drittel der produzierten Lebensmittel durch Nahrungsmittelverschwendung verloren geht3. Gemäss einer Studie aus Frankreich wird zudem das Einkommen der Bauern bei einer Pestizidreduktion von 40% nicht verändert. Die Verluste durch die Ertragsreduktion entsprechen den gesparten Ausgaben für Pestizide17.

Deswegen fordern diverse Organisationen, darunter auch der VDRB, seit langem eine Reduktion des Pestizideinsatzes und eine bessere Erforschung der Risiken einzelner Pestizide. Dies führte zur Verabschiedung des Aktionsplan zur Risikoreduktion und nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln des Bundes im September 2017. Dieser verfolgt das Leitziel die Risiken von Pflanzenschutzmitteln um 50% zu reduzieren und berücksichtigt dabei wörtlich den Schutz von terrestrischen Nichtzielorganismen, zu welchen auch die Bienen gehören. Zur Erreichung dieses Zieles verfolg der Aktionsplan die Weiterentwicklung und Förderung des integrierten Pflanzenschutzes. Dieser wurde in den 1970er Jahren entwickelt und verfolgt den Grundsatz, dass chemische Mittel nur dann zum Einsatz kommen, wenn präventive und nicht-chemische Massnahmen keinen Schutz mehr gewährleisten können. Ausserdem soll Forschung zur besseren Risikobewertung von Pflanzenschutzmitteln und zur Entwicklung von Alternativen unterstützt werden. Das Zentrum für Bienenforschung entwickelte ausserdem einen standardisierten Test zur Messung von sublethalen Effekten von Pestiziden. Dieser wird zur Risikobeurteilung verwendet und beim Bewilligungs-verfahren von neuen Pestiziden berücksichtigt2.

Wollen Sie mehr wissen?

Pestizid-Reduktionsplan Schweiz: http://www.svgw.ch/index.php?id=979

Aktionsplan zur Risikoredution und nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschtzmitteln: https://www.blw.admin.ch/blw/de/home/nachhaltige-produktion/pflanzenschutz/aktionsplan.html

Literatur

1 Bericht des Bundesrates. Bericht zur Umsetzung des Nationalen Massnahmenplans für die Gesundheit der Bienen. (2016).

2 Bericht des Bundesrates. Aktionsplan zur Risikoreduktion und nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschtzmitteln. (2017).

3 Vision Landwirtschaft. Pestizid-Reduktionsplan Schweiz – Aktuelle Situation, Reduktionsmöglichkeiten, Zielsetzungen und Massnahmen. (2016).

4 Sanchez-Bayo, F. & Goka, K. Pesticide Residues and Bees – A Risk Assessment. Plos One 9, doi:e9448210.1371/journal.pone.0094482 (2014).

5 Bundesamt für Landwirtschaft. Zugelassene Pflanzenschutzmittel. https://www.blw.admin.ch/blw/de/home/nachhaltige-produktion/pflanzenschutz/pflanzenschutzmittel/zugelassene-pflanzenschutzmittel.html.

6 Bienengesundheitsdienst. Bienenvergiftungen.

http://www.bienen.ch/de/themen/bienengesundheit/bienenvergiftungen.html.

7 Schneider, C. W., Tautz, J., Grunewald, B. & Fuchs, S. RFID Tracking of Sublethal Effects of Two Neonicotinoid Insecticides on the Foraging Behavior of Apis mellifera. Plos One 7, doi:e3002310.1371/journal.pone.0030023 (2012).

8 Thompson, H. M. & Maus, C. The relevance of sublethal effects in honey bee testing for pesticide risk assessment. Pest Management Science 63, 1058-1061, doi:10.1002/ps.1458 (2007).

9 Henry, M. et al. A Common Pesticide Decreases Foraging Success and Survival in Honey Bees. Science 336, 348-350, doi:10.1126/science.1215039 (2012).

10 Tosi, S., Burgio, G. & Nieh, J. C. A common neonicotinoid pesticide, thiamethoxam, impairs honey bee flight ability. Scientific Reports 7, doi:120110.1038/s41598-017-01361-8 (2017).

11 Wu, J. Y., Anelli, C. M. & Sheppard, W. S. Sub-Lethal Effects of Pesticide Residues in Brood Comb on Worker Honey Bee (Apis mellifera) Development and Longevity. Plos One 6, doi:e1472010.1371/journal.pone.0014720 (2011).

12 Gajger, I. T., Sakac, M. & Gregorc, A. Impact of Thiamethoxam on Honey Bee Queen (Apis mellifera carnica) Reproductive Morphology and Physiology. Bulletin of Environmental Contamination and Toxicology 99, 297-302, doi:10.1007/s00128-017-2144-0 (2017).

13 Whitehorn, P. R., O’Connor, S., Wackers, F. L. & Goulson, D. Neonicotinoid Pesticide Reduces Bumble Bee Colony Growth and Queen Production. Science 336, 351-352, doi:10.1126/science.1215025 (2012).

14 Biddinger, D. J. et al. Comparative Toxicities and Synergism of Apple Orchard Pesticides to Apis mellifera (L.) and Osmia cornifrons (Radoszkowski). Plos One 8, doi:e7258710.1371/journal.pone.0072587 (2013).

15 Pilling, E. D. & Jepson, P. C. Synergism between EBI fungicides and a pyrethroid insecticide in the honeybee (Apis mellifera) Pesticide Science 39, 293-297, doi:10.1002/ps.2780390407 (1993).

16 Bienengesundheitsdienst. Merkblatt Bienenvergiftungen. (2017).

17 INRA. Ecophyto R&D: which options to reduce pesticide use?http://institut.inra.fr/en/Objectives/Informing-public-policy/Advanced-Studies/All-the-news/Ecophyto-R-D (2010).

Vatorex AG, Felix Poelsma 27 August, 2019
teile diesen Artikel
Zum Schwärmen